2. Schulwoche

2. Schulwoche, 8. bis 12. Mai:

Nach einem tollen Wochenende, wettermässig plus aktivitätsmässig, stehen wir fit und munter um 9.00 Uhr vor dem Learning Center. Es ist geschlossen für die Studenten. Aha, die neuen Ankömmlinge sind da. Vor einer Woche waren wir das noch. So setzen wir uns in den Aufenthaltsraum und machen uns dort ans Lernen. In der Klasse sitzt heute eine neue Studentin aus Thailand. Wenn einem das Niveau in der Klasse zu hoch oder zu einfach erscheint besteht dei Möglichkeit, die Klasse und den Level zu wechseln. Ich spiele auch noch mit dem Gedanken, verwerfe ihn aber wieder am Ende des Tages. Es ist ein erfolgreicher Schultag und ich habe das Gefühl, doch vorwärts zu kommen und kann dem Unterricht folgen. Ich benötige sehr viel Aufmerksamkeit und Konzentration. Mein Motto: durchhalten und dran bleiben. Also entschliesse ich, den Level beizubehalten. Selbstverständlich ist die erste Frage am Montagmorgen „What did you do an the weekend?“. So erzählen wir einander in der Gruppe von unseren Unternehmungen und ich erkenne, dass die Interessen der jungen Leute natürlich ganz andere sind als meine. Viele der Mitstudenten besuchen Partys, spielen Computergames, relaxen oder gehen aus. Ich berichte vom Zoobesuch und von mother`s day. Dass ich schweizerisch gekocht habe und mit der Familie zusammen den Sonntag verbracht habe.
Noch vor Beginn des Klassenunterrichts unterhalte ich mich mit Eveline über die bevorstehende Woche und unsere Ansprüche. Wir merken, dass wir etwas ungeduldig sind was das Englisch Sprechen betrifft sind. Ich denke, unsere Ansprüche sind hoch und wir erwarten zu viel für den Anfang. Wir diskutieren über unsere Erfahrungen und Erkenntnisse und ziehen Parallelen zu unseren fremdsprachigen Kindern und Eltern. Es ist eine gute und wertvolle Erfahrung, in der selben Situation zu stecken wie die Mütter, denen ich jeweils im September den Deutschkurs schmackhaft machen muss. Ich erlebe nun selber, wie hart und intensiv es ist, eine neue Sprache zu erlernen, die Schrift anzuwenden und sich zu integrieren. Ich merke aber auch, wie wichtig es ist, eben die Sprache zu beherrschen, die rund um mich herum gesprochen wird. Ich habe so viele tolle Begegnungen, längere und kürzere, die ich ohne Englischkenntnisse nicht hätte. So zum Beispiel kaufe ich neue Hosen und schaue mich in einem Geschäft um. Ich werde nach Hilfe Gefragt und ich versteh nicht auf Anhieb, ist der Kiwislang doch sehr speziell. Sofort spricht die Verkäuferin langsamer und fragt natürlich, woher ich komme. So ergibt sich ein Gespräch und wie wechseln einiges aus. Könnte ich die Sprache nicht wäre mein Einkauf sehr unpersönlich. Ich muss auch in einer Metzgerei nach dem richtigen Fleisch fragen. Ich verstehe, dass es eine gewisse Überwindung braucht, aber um sich im Alltag frei und ohne Hilfe bewegen zu können braucht es die Sprache. Ich denke, im nächstes Gespräch mit einer fremdsprachigen Mutter, in dem ich den Deutschkurs empfehle, werden einige Erinnerungen wach gerufen. Eine sehr wertvolle und aufschlussreiche Erfahrung, das am eigenen Laib erleben zu können. Nach der Diskussion mit Eveline gehts in die Klasse. Jeweils am Montag wird das social programme vorgestellt. Die Schule bietet verschiedene Aktivitäten und Ausflüge an. Diese Woche steht ein Vortrag über die Natur NZ`s, gehalten von einer fachkundigen Lehrkraft an. Wir melden uns gleich an. So haben wir über einen anderen Kanal Kontakt mit der Sprache und erfahren zugleich viel Interessantes und Wissenswertes über das Land, seine Vegetation und die Vogelwelt. Ich bin gespannt, wie mein Sprachverständnis sein wird. Am Freitag findet eine Piraten Party statt, da melden wir uns nicht an. Man muss verkleidet gehen. Und am Wochenende wird ein Ausflug zu den Maoris auf die Insel Wahikeke angeboten. Mit den Ausflügen halten wir uns noch zurück, sind wir doch noch 7 Wochen hier.
Am Mittag werde ich von Severine, unserer Ansprechperson zur ersten Schulwoche, meiner Unterkunft und verschiedenen anderen Fragen interviewt. Sie fragt mich auch, ob ich nächste Woche gerne mit in den Kindergarten ihrer Tochter kommen wolle. Selbstverständlich nehme ich dieses Angebot an und bin jetzt schon gespannt. Zusätzlich bereiten Eveline und ich uns für eine Lektion in der Schule vor, in der wir in der Klasse von André (Sohn der hostfamily von Eveline) die Schweiz und Griechenland vorstellen. Das Thema in der Schule ist im Moment fremde Länder und Kulturen. Eine gute Übung für uns, die etwas Überwindung braucht, sind wir doch noch nicht so gewandt im freien Sprechen. Die Kinder konnten sich zu Hause je eine Frage ausdenken, zu der sie uns befragen wollen.
Am Mittwoch treffen wir uns mit Anita. Sobald man in ein fremdes Land reist bekommt man von überall her Adressen und Anlaufstellen. So auch vom Judith Steiner, die mir noch zu Hause die Adresse ihrer Cousine in Auckland gibt. So setze ich mich noch in der Schweiz mit ihr via Mail in Verbindung und taste erstmal ab. Sehr nett bekomme ich eine Antwort und eine Einladung. Nun steht einem Austausch nichts mehr im Weg und wir treffen Anita am Mittwochmittag in der Stadt zum Lunch. Etwas Aussergewöhnliches für uns Schweizer, einfach so mit jemandem Kontakt aufzunehmen, sich „aufzudrängen“ und zu verabreden. Dasselbe macht Eveline und wir haben ein zweites Treffen mit einem ausgewanderten Ehepaar aus dem Appenzellerland. Auch das empfinde ich als eine reiche Erfahrung, lernen wir doch interessante Menschen kennen. Röbi aus dem Appenzellerland ist im Schulwesen tätig, besonders spannend und lehrreich für uns.
Nach dem Unterricht treffen wir uns mit den 2 Schweizer Studenten Manuela und Pascal, mit denen wir uns ganz gut verstehen. Es wird Kauderwelsch gesprochen. Was Englisch geht wird in Englisch besprochen, der Rest oder das Komplizierte kommt in Deutsch. Wir tauschen aus und zum Schluss ergibt sich ein heiteres Worteraten. Wer zuerst das notierte Wort weiss, bekommt die Karte. Sauglatt, effizient und erweitert den Wortschatz. Vor lauter Spielen komme ich fast zu spät zum Znacht...

Schnell ist es wieder Freitag und ich komme gerade von Mt Eden von einem gemütlichen Abend mit Eveline. Wir haben über Gott und die Welt diskutiert, unsere Erlebnisse aus der Schule ausgetauscht. Uns fasziniert, dass in der Schule so viele Kulturen zusammen kommen. Wir erfahren Lehrreiches, Wertvolles und Spannendes aus fremden Ländern, lernen Werte und Haltungen anderer Menschen mit für und fremdem Hintergrund kennen und zum Teil verstehen. Ist es doch ein permanentes Thema, dass die Männer aus Saudi Arabien immer zu spät in den Unterricht kommen. Sie entschuldigen sich kurz mit einem sorry und setzen sich gemütlich an ihren Platz. Es interessiert sie kaum, dass die Lehrkraft die Übungen noch einmal erklären muss und sie den Unterricht mitten drin stören. Heute hat Beth die zwei zu spät kommenden Studenten ermahnt und ihnen gesagt, dass sie nächste Woche keinen Platz mehr in der Klasse hätten, wenn sie nicht pünktlich zum Unterricht erscheinen. Das war wohl etwas zu viel des Guten. Sultan, der neben mir sitzt hat innerlich wahrscheinlich gekocht. Eine Frau die ihn ermahnt ist er anscheinend nicht gewohnt. Seine Reaktion war eindeutig und ich habe mich für die folgenden Übungen eher nach links zu meiner anderen Nachbarin aus China gewandt. Nach einer Zigarettenpause erholt sich dann auch Sultan wieder und ist ansprechbar. So prallen zwei Kulturen und Werte aufeinander. Man ist in einem fremden Land, dessen Sitten man versucht anzunehmen. Das gelingt uns offensichtlich sehr gut, da wir ähnlich denken und handeln wie die Menschen in NZ. Die arabischen Leute, besonders die Männer sind sehr stolz und erwarten, dass man ihnen mit Respekt und fast ein bisschen Unterwürfigkeit begegnet. Interessant sind auch die Themen, die wir in Gruppen besprechen. Die Meinungen dazu sind manchmal grundverschieden.

Die asiatischen Studenten sind sehr zurückhaltend. Sie sind bescheiden und fast ein wenig unterwürfig. Han, den wir vom Einführungstag her kennen ist uns besonders ans Herz gewachsen. Er kommt aus Korea und er

erzählt uns beim gemeinsamen Zmittag gerne von seinem Land. Wir beobachten aber, dass er sehr oft negativ von sich spricht, wenig Selbstvertrauen hat und sich auch wenig zutraut. Spannend ist auch, dass er vom ersten Tag an regelmässig mit uns zu Mittag isst. Er ist noch sehr jung, hätte andere Gesellschaft und doch schliesst er sich ganz selbstverständlich uns an. Wir finde noch nicht heraus, ob er sich nicht traut, sich einfach abzusetzen oder ob es wohl für ihn ein Ritual ist, uns zu begleiten. Er ist sehr angepasst und nimmt was wir bestellen, steht sofort bereit, wenn wir unsere Teller abräumen wollen, bedankt sich für alles und betont immer wieder, wie schlecht er Englisch spricht. An Komplimente ist er sich nicht gewohnt. Heute versuche ich ihm zu sagen, dass sich seine Aussprache in den letzten Tagen sehr verbessert hat. Er wird ganz verlegen und bedankt sich hundert Mal.

Alles sehr spannende Situationen, die zu viel Diskussionen und Vermutungen führen.

Der Vortrag über die Natur NZ’s ist sehr spannend und lehrreich. Wir lernen die verschiedensten Vogelarten kennen und entschliessen uns für einen Wochenende-Ausflug auf die Insel Tiritirimatangi. Sie ist ein Naturreservat, in dem seltene Vogelarten leben, die dort keine Feinde wie Ratten, Hunde, Katzen oder Possums haben. Viele Tierarten in NZ sind vom Aussterben bedroht weil sie zu Hauf gefressen werden. Aber es wird sehr viel unternommen, um die seltenen Arten zu schützen und ihre Population wieder zu vergrössern. Bis anhin war mir nicht bewusst, dass es in NZ so viele Tier- und Pflanzenarten gibt, die nur hier leben oder wachsen. So wird es wohl in jedem Land sein. Interessant ist zu erfahren, dass sich vor ca. 65 Mio. Jahren NZ von Australien durch eine starke Erdverschiebung getrennt hat und in zwei Inseln viele Kilometer (ca. 3 Flugstunden) abgesetzt hat. Ausser verschiedene Vögel hat kaum ein Lebewesen überlebt. Viele Jahrhunderte lang war NZ nur von Vögeln bewohnt. Erst vor ca. 1000 Jahren sind polynesische Seefahrer mit ihren grossen Kanus über den Pazifischen Ozean gesegelt, haben das Land der grossen weissen Wolke entdeckt und sich hier nieder gelassen. Die Tierwelt hat sich entwickelt und mit den Maoris wurden auch Ratten, Hasen, Katzen und Hunde auf die Inseln gebracht. Ein Graus für die Kiwis, die zu Tausenden von den Maoris und den Haustieren verspeist wurden. Zur Zeit der ersten Maoris bewohnte auch der Urvogel Moa NZ. Ein Vogel, der den Maoris viel Fleisch brachte und der sich kaum wehren konnte. So ist diese Tierart ausgestorben, man spricht aber immer wieder von den Moas, hat man doch ein versteinertes Ei gefunden, das auf der Südinsel ausgestellt ist. Moas gab es wohl nur in NZ.

Viele Vogelarten wie der Tui, Kiwi oder Kakapo stehen heute unter Schutz und können sich nur so vermehren. Noch vor 20 Jahren zählte man ca. 50 Kakapos, unterdessen leben schon ungefähr 120 Exemplare davon wieder in der Wildnis. Wir erfahren von Projekten, die sich diesen Problemen annehmen. Im Internet recherchiere ich immer wieder und bin ganz fasziniert, was ich alles erfahre und dazu lerne.

Am Freitag halte ich Wochenrückblick und erfreue mich an der Erkenntnis, dass ich doch schon einiges gelernt habe. Das Englisch ist allgegenwärtig, ich habe schon 2 Bücher gelesen, dessen Inhalt ich gut verstanden habe. Dem Unterricht kann ich unterdessen folgen und die Grammatik ist kein rotes Tuch mehr. Sicher ist es nicht meine Lieblingsbeschäftigung, mich mit ihr auseinander zu setzen, aber ich bekomme langsam den Durchblick.

Die Stunden im Learning Center gestalte ich sehr selbständig und entdecke in der Computerarbeit immer wieder neue Übungen und Anwendungen. Ich fassen die Morgenlektionen zusammen, notiere Wichtiges, führe mein Vokabular und mache die Hausaufgaben. Heute besuche ich zum ersten Mal die Konversationsgruppe. Es kann kommen wer gerade Lust und Zeit hat. Die Gruppe wird von einer Lehrkraft geführt. Das heutige Thema „Love“. Hoppla, ob mein Wortschatz dazu wohl reicht? Die Diskussion ist ganz spannend, unterhaltsam und manchmal auch ernst. Man bekommt mit, wie die verschiedenen Teilnehmer darüber denken, was ihnen wichtig erscheint und was sie zu diesem Thema zu sagen haben. Manchmal brauchen wir die Hände zum Erklären oder gestikulieren dazu. Aber am Schluss verstehen wir, was jeder dazu meint. Nicht im Traum hätte ich mir vor 2 Wochen vorstellen können, über solche Themen zu sprechen oder zu argumentieren.

So geht eine intensive Woche zu Ende und ich freue mich auf den Ausflug am Samstag nach Devenport. Am Abend sind wir zum Znacht bei einem Schweizer Ehepaar eingeladen. Eveline hat die Adresse von Kollegen bekommen. Es gibt selbstgeangelten Fisch. Und am Sonntag früh dann geht’s Richtung Tiritirimatangi, kurz nach Tiri. Die Tickets sind reserviert, die Fähre legt um 9.00 Uhr am Hafen ab und kommt gegen 17.00 Uhr zurück. Ein Tag in der Natur tut gut nach 5 Tagen Grossstadt, obwohl Auckland eine „coole“ Stadt ist.

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